Dienstag, 17. August 2010

Der Narziss in mir

Zum besseren Verständnis dieses Eintrags vorab eine Information: Ich möchte das aus dem Österreichischen stammende, wirklich schöne Fremdwort "fesch"1) stärker in unseren Sprachgebrauch integrieren und werde es von nun an zwecks eines abwechslungsreicheren Umgangs mit den deutschen Adjektiven immer wieder einfließen lassen. (Zu Eurer Beruhigung sei ebenfalls vorab gesagt, dass ich nicht vorhabe, die Vokabel trotz des ebendies suggerierenden Post-Titels zur Eigenbeschreibung zu verwenden.)

Die ganze Zeit mache ich mir Gedanken darüber, was und wer in dieser Stadt mir nach meiner Rückkehr nach Deutschland wirklich fehlen wird. Dabei ist mir heute aufgefallen, dass ich vor all den offensichtlich zu vermissenden Dingen und Personen noch gar nicht über jene ganz flüchtigen Bekannten nachgedacht habe, denen ich Tag für Tag begegne und zu deren Tagesablauf ich genauso gehöre wie sie zu meinem. Wahrscheinlich werde ich ihnen genauso fehlen wie sie mir.

Da ist der vietnamesische Verkäufer vom Potraviny an meiner Ecke, dem ich immer dann einen Besuch abstatte, wenn mir eine Kleinigkeit fehlt. Fast täglich also, und das seit vier Monaten. Seit etwa zwei Monaten hat unsere Beziehung ein insofern fortgeschritteneres Stadium erreicht, als dass er mir immer winkt, wenn ich den Zebrastreifen gegenüber seines Ladens überquere - selbst wenn ich dann direkt weiter nach Hause laufe.

Dann ist da der netteste Kellner der Welt, der im "Velryba" in der Prager Neustadt bedient und dessen ganze Erscheinung mich immer an das Neustadter Haardt Rock Café erinnert (auch wenn man den Qualitätsvergleich zwischen ihm und den dortigen Bedienungen* besser unterlässt). Insgeheim hoffe ich, dass er auch in Zukunft immer an mich denkt, wenn jemand eine halbvolle Kofola auf dem Tisch stehen lässt, wie es dort sämtliche meiner Besucher taten, die das Gebräu angesichts des niedrigen Preises und seines Kultstatus zwar unbedingt probieren wollten, es aber in keinem Fall austranken. Was den namenlosen Kellner zum außerdem geduldigsten Menschen Prags macht, ist der Umstand, dass er mir bei meinen Bestellungen bisher kein einziges Mal auf Englisch geantwortet hat (obwohl ich gehört habe, dass er es sehr gut spricht) und mir immer alle Zeit der Welt gibt, bis ich den Geldbetrag, den ich inklusive Trinkgeld für mein Essen zahlen möchte, korrekt ausgesprochen habe. Auch unsere Beziehung hat ein neues Level erreicht, seit er mich beim Zählen und Rechnen immer breit angrinst und hin und wieder meine Aussprache korrigiert (was meistens dann der Fall ist, wenn die Ziffer Vier in den Beträgen auftaucht). Ich werde ihn sehr vermissen.

Nicht zuletzt ist da eben auch dieser - aufgepasst - fesche junge Mann, dessen Arbeits- und mein "Schulweg" sich allmorgendlich kreuzen. Dass wir uns mittlerweile grüßen, wenn wir aneinander vorbeilaufen, erinnert mich immer an die Fahrstuhlsituationen aus amerikanischen Sitcoms. Davon abgesehen sind wir einander schon so bekannt, dass ich seine Montagskrawatte erkenne.

Die tiefste Beziehung habe ich jedoch zu einem Mann im Café Louvre. Sein Antlitz hängt im Bilderrahmen ganz hinten links auf der Wandseite des großen Saals und ist Motiv einer der lustigsten Fotografien, die ich kenne. Schon in meiner ersten Woche in Prag habe ich mir vorgenommen, so gut Tschechisch zu lernen, dass ich einen der Angestellten fragen kann, wer der Mann auf dem Bild ist und ob die Fotografie irgendwie zu erwerben ist. Es ist an der Zeit, diesen Vorsatz umzusetzen.
* außer Eva

Literaturangaben

1)http://de.wiktionary.org/wiki/fesch

1 Kommentar:

  1. also, dass du wikipedia als quelle für "fesch" angibst, is schon sehr beleidigend mir gegenüber, immerhin hab ich dir das wort gelernt ;)
    aber ja, auch, wenn du es selbst net tust, ich find dich fesch und net schiach :D
    aja, und wo gehört der Stern hin? ich seh den immer nur unter dem text...

    lg
    die österreicherin.

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