Nun ist Hans Magnus Enzensberger ja nicht irgendwer. Er ist mein Lieblingsessayist, Lieblingslyriker, Lieblingsherausgeber. Mein Idol. Er ist aber auch Teil der verschwindenden deutschen intellektuellen Elite, einer der drei verbliebenen echten Dichter und Denker unseres Landes, die Marke HME. Natürlich habe ich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen Interviewtermin mit ihm zu bekommen. Ein Gespräch mit ihm erschien mir noch wertvoller als eines mit Herta Müller, deren Prag-Besuch ebenfalls angekündigt war.
Ein Journalist, der viel Glück hat, kommt früher oder später in die Situation, einem seiner Vorbilder persönlich gegenübersitzen zu dürfen. Mit diesem Gegenüber hat man sich schon Jahre beschäftigt, man hat unendlich viele Fragen, die man ihm gern stellen möchte und natürlich hat man auch ein Bild im Kopf, das den Unerreichbaren gottesgleich aussehen lässt. Dieses Bild ist auch der Grund, warum der Journalist in den Minuten vor dem tatsächlichen Treffen in Panik ausbricht. Was, wenn man sich einen Charakter ausgemalt hat, der in keinster Weise demjenigen des Interviewten entspricht? Was, wenn man den Gegenbeweis für die eigene Menschenkenntnis erhält? Vor allem aber wird der Journalist feststellen, dass er die vielen Fragen, die er sich über all die Zeit hinweg zurechtgelegt hat, nicht wird stellen können. Zuerst wird er sich darüber natürlich ärgern. Wer für eine Zeitung schreibt, muss sich auch beim Interviewen dem Profil des Blatts anpassen und in erster Linie die Leserschaft bedienen und nicht sich selbst. Dass er sich also an aktuelle Themen und Bezüge zur Stadt, in der er schreibt, halten muss, spielt ihm nicht unbedingt in die Karten. Im nächsten Moment wird dem Journalisten jedoch klar werden, dass er die Fragen, die ihn am brennendsten interessieren, ohnehin nicht stellen kann. Oder hätte ich Herrn Enzensberger fragen können: "Wie tun Sie das bloß?!"?
Freilich nicht. Deshalb war ich schließlich froh, mich in meiner Rolle als Pressevertreterin hinter meiner Person verstecken zu können. Der größte Vorteil des Journalisten ist, dass er sich niemals rechtfertigen muss. Vielmehr war ich in der glücklichen Situation, das von Hans Magnus Enzensberger verlangen zu dürfen. Und mir ebenso im Klaren darüber, dass es kaum jemanden geben dürfte, der sich schwieriger aus der Reserve locken lässt als Enzensberger, der es gewohnt ist, bei den wichtigsten politischen Ereignissen, wirtschaftlichen Krisen und kulturellen Anlässen von der Zeit, dem Spiegel und der Süddeutschen um seine Meinung gebeten zu werden. Denn jemanden, der reflektierter ist als HME gibt es in ganz Deutschland nicht. Ebenso wenig fällt mir jemand ein, der seine differenzierte Meinung auch nur annähernd so präzise formulieren kann. So hätte auch ich gern an diversen Stellen unseres Interviews gefragt: "Herr Enzensberger, wie tun Sie das bloß?!" Jedes Wort ein Treffer, jeder Satz zitierfähig: So sprach ein 80-jähriger Schnelldenker zu mir, dem ich am liebsten einfach beim Sprechen zugesehen hätte anstatt dabei mitzuschreiben und mit einiger Verzögerung auf das Gesagte zu reagieren. Am Ende hielt ich ein druckreifes Interview in den Händen, das als einzigen Redigieraufwand eine rigorose Kürzung benötigte. Mehr als eine Stunde hatte ich mit Enzensberger gesprochen - beziehungsweise er mit mir - und hatte dabei letzten Endes doch die Gelegenheit, auch Fragen von persönlichem Interesse zu stellen. Tatsächlich glaube ich, dass ich auch etwas über den Charakter Enzensberger erfahren durfte. Der ist zwar nicht gottesähnlich, aber dafür im positivsten seiner Sinne menschlich. Auch nach dem Interview, in dem HME mich mit Vornamen ansprach, witzelte und sich von seiner freundlichsten Seite zeigte, habe ich noch unvergleichbar großen Respekt vor ihm.
Ein Journalist, der viel Glück hat, kommt früher oder später in die Situation, einem seiner Vorbilder persönlich gegenübersitzen zu dürfen. Mit diesem Gegenüber hat man sich schon Jahre beschäftigt, man hat unendlich viele Fragen, die man ihm gern stellen möchte und natürlich hat man auch ein Bild im Kopf, das den Unerreichbaren gottesgleich aussehen lässt. Dieses Bild ist auch der Grund, warum der Journalist in den Minuten vor dem tatsächlichen Treffen in Panik ausbricht. Was, wenn man sich einen Charakter ausgemalt hat, der in keinster Weise demjenigen des Interviewten entspricht? Was, wenn man den Gegenbeweis für die eigene Menschenkenntnis erhält? Vor allem aber wird der Journalist feststellen, dass er die vielen Fragen, die er sich über all die Zeit hinweg zurechtgelegt hat, nicht wird stellen können. Zuerst wird er sich darüber natürlich ärgern. Wer für eine Zeitung schreibt, muss sich auch beim Interviewen dem Profil des Blatts anpassen und in erster Linie die Leserschaft bedienen und nicht sich selbst. Dass er sich also an aktuelle Themen und Bezüge zur Stadt, in der er schreibt, halten muss, spielt ihm nicht unbedingt in die Karten. Im nächsten Moment wird dem Journalisten jedoch klar werden, dass er die Fragen, die ihn am brennendsten interessieren, ohnehin nicht stellen kann. Oder hätte ich Herrn Enzensberger fragen können: "Wie tun Sie das bloß?!"?
Freilich nicht. Deshalb war ich schließlich froh, mich in meiner Rolle als Pressevertreterin hinter meiner Person verstecken zu können. Der größte Vorteil des Journalisten ist, dass er sich niemals rechtfertigen muss. Vielmehr war ich in der glücklichen Situation, das von Hans Magnus Enzensberger verlangen zu dürfen. Und mir ebenso im Klaren darüber, dass es kaum jemanden geben dürfte, der sich schwieriger aus der Reserve locken lässt als Enzensberger, der es gewohnt ist, bei den wichtigsten politischen Ereignissen, wirtschaftlichen Krisen und kulturellen Anlässen von der Zeit, dem Spiegel und der Süddeutschen um seine Meinung gebeten zu werden. Denn jemanden, der reflektierter ist als HME gibt es in ganz Deutschland nicht. Ebenso wenig fällt mir jemand ein, der seine differenzierte Meinung auch nur annähernd so präzise formulieren kann. So hätte auch ich gern an diversen Stellen unseres Interviews gefragt: "Herr Enzensberger, wie tun Sie das bloß?!" Jedes Wort ein Treffer, jeder Satz zitierfähig: So sprach ein 80-jähriger Schnelldenker zu mir, dem ich am liebsten einfach beim Sprechen zugesehen hätte anstatt dabei mitzuschreiben und mit einiger Verzögerung auf das Gesagte zu reagieren. Am Ende hielt ich ein druckreifes Interview in den Händen, das als einzigen Redigieraufwand eine rigorose Kürzung benötigte. Mehr als eine Stunde hatte ich mit Enzensberger gesprochen - beziehungsweise er mit mir - und hatte dabei letzten Endes doch die Gelegenheit, auch Fragen von persönlichem Interesse zu stellen. Tatsächlich glaube ich, dass ich auch etwas über den Charakter Enzensberger erfahren durfte. Der ist zwar nicht gottesähnlich, aber dafür im positivsten seiner Sinne menschlich. Auch nach dem Interview, in dem HME mich mit Vornamen ansprach, witzelte und sich von seiner freundlichsten Seite zeigte, habe ich noch unvergleichbar großen Respekt vor ihm.